DiGA im Fokus: Evidenzbasierte Medizin und digitale Gesundheitsanwendungen

Wissenwertes für Ärzte
15. April 2025
Arzt hält Gehirnmodell und Tablet.

Zwischen Randomisierung, Real-World-Daten und regulatorischer Exzellenz

Wenn wir von evidenzbasierter Medizin sprechen, denken viele zuerst an klassische Arzneimittelstudien: Phase I bis III, randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), GCP-konforme Datenerhebung, Dossiererstellung nach AMG.
Doch in der digitalen Versorgung gilt längst dasselbe Qualitätsparadigma – mit eigenen Mechanismen, aber vergleichbarem Anspruch.

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind nicht einfach verfügbar – sie werden zugelassen. Vom BfArM. Und das unter Bedingungen, die es in sich haben.

Ein kurzer Überblick – aber mit Tiefgang

Wer eine DiGA entwickeln will, hat es mit einer Regulatorik zu tun, die sich sehen lassen kann:

  • CE-Kennzeichnung als Medizinprodukt (Klasse I oder IIa)
  • Einreichung beim BfArM zur Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis – entweder vorläufig oder endgültig
  • Nachweis eines positiven Versorgungseffekts – wahlweise medizinischer Nutzen oder patientenrelevante Struktur- und Prozessverbesserung
  • Datenschutzkonformität nach DSGVO
  • Sicherheitsnachweise gemäß Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV)

Und hier beginnt die eigentliche Arbeit.

Der Versorgungsnachweis: Vom Konzept zur belastbaren Evidenz

Für die vorläufige Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis reicht zunächst ein plausibles Wirkmodell, ergänzt durch ein methodisch tragfähiges Studienkonzept. Der Hersteller muss gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) schlüssig darlegen, wie der Versorgungseffekt innerhalb der nächsten 12 Monate wissenschaftlich belegt werden soll – inkl. Studiendesign, Endpunkten, Methodik und geplanten Auswertungsverfahren.

Das Evaluationskonzept muss von einer unabhängigen wissenschaftlichen Institution erstellt werden – orientiert an anerkannten Standards wie DNVF, CONSORT oder WHO ICTRP.

Parallel dazu ist der vollständige Antrag ausschließlich über das digitale Antragsportal des BfArM einzureichen – inklusive aller Nachweise zur Sicherheit, Qualität und Informationssicherheit gemäß der Digitalen Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV). Die Nachweise umfassen:

  • eine gültige CE-Kennzeichnung gemäß MDR,
  • Datenschutzkonformität (nach DSGVO, BDSG und § 4 DiGAV),
  • Informationssicherheit gemäß den Anforderungen des BSI-Grundschutzes (inkl. ISMS),
  • Nachweise zur Interoperabilität, Usability und technischen Reife (vgl. Anlagen 1 & 2 DiGAV).

Wichtig: Auch wenn der eigentliche Versorgungseffekt (pVE) noch nicht vorliegt, alle anderen regulatorischen Anforderungen müssen bereits zur vorläufigen Aufnahme vollständig erfüllt sein.

In der praktischen Umsetzung heißt das:

  • Rekrutierung geeigneter Patienten
  • Einbindung ärztlicher Studienpartner
  • Anwendung validierter Instrumente (z. B. PHQ-9, GAD-7, WSAS)
  • Datenverarbeitung auf BSI-zertifizierten Servern
  • Einhaltung der vollständigen DiGAV-Konformität ab Tag 1

Der Erprobungszeitraum beträgt maximal 12 Monate – mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit um weitere 12 Monate (Antrag spätestens 3 Monate vor Fristablauf). Während dieser Phase ist die DiGA voll erstattungsfähig und kann wie jede andere verordnet werden.

Die finale Bewertung durch das BfArM erfolgt erst nach Vorlage des vollständigen Evidenznachweises. Bleibt dieser aus, wird die DiGA wieder aus dem Verzeichnis gestrichen – ohne Ausnahme.

Die Realität hinter der Zulassung – eine kleine Ehrenrunde für die Entwickler

Keine DiGA landet einfach so im Verzeichnis. Hinter jeder gelisteten Anwendung steckt ein komplexer Prozess, der viele Monate – manchmal Jahre – dauert.

Alles beginnt mit einem fundierten Studienprotokoll. Die Hersteller müssen Ärztinnen und Ärze als Studienpartner gewinnen, geeignete Patientinnen und Patient rekrutieren, Einwilligungen einholen, Daten strukturiert erfassen, auswerten, dokumentieren. Danach folgt die Aufbereitung des Versorgungseffekt-Dossiers – und die Einreichung beim BfArM.

Doch dabei bleibt es nicht: Rückfragen, formale Anpassungen, methodische Nachbesserungen, Datenschutzgutachten, Nachweise zur IT-Sicherheit, Offenlegung der API-Schnittstellen, Serverstandorte, Barrierefreiheit – alles wird geprüft.

Erst dann fällt die Entscheidung: vorläufige Listung – oder Ablehnung.

Und selbst nach der Aufnahme beginnt der eigentliche Dauerlauf: DiGA müssen technisch gepflegt, fachlich aktualisiert und regulatorisch betreut werden. Kompatibilitätsupdates, IT-Sicherheitsaudits, Outcome-Analysen, medizinische Inhalte auf Guideline-Stand bringen – all das läuft parallel zur Marktnutzung.

Wer die endgültige Zulassung will, muss nach spätestens einem Jahr harte Wirksamkeitsdaten liefern. Belastbar, peer-review-fähig, realitätsnah.
Das ist nichts anderes als eine Phase-IV-Überwachung – nur in digital und mit deutlich engerem Zeitfenster.

Warum das relevant ist – und warum der Preis keine Diskussion mehr sein sollte

Wenn wir im ärztlichen Alltag über die Kosten einer DiGA sprechen, sollten wir vor allem über den Aufwand sprechen. Denn jede dieser Anwendungen ist mehr als nur eine App – sie ist ein hochreguliertes Gesamtpaket.

Dahinter stehen eine therapeutisch durchdachte Struktur, eine belastbare Datenbasis, ein rund um die Uhr erreichbarer Patientenservice, ärztlich geschulter Außendienst für medizinische Rückfragen, regelmäßige Sicherheitsprüfungen – und ein regulatorisches Korsett, das keine Lücken duldet.

Eine DiGA ist kein Frontend mit ein paar Push-Nachrichten.
Sie ist ein lebendiges, dynamisches Medizinprodukt, das auf Therapiesicherheit, Datenschutz, klinische Wirksamkeit und kontinuierliche Weiterentwicklung ausgelegt ist.

Wer das versteht, weiß:
Ein CE-zertifiziertes Versorgungstool mit echtem Outcome-Fokus – für unter 5 € pro Tag – ist kein hoher Preis.

Das ist kluge, zeitgemäße Versorgung. Punkt.

Und übrigens: Mit der endgültigen Zulassung tritt eine neue Preisstufe in Kraft – verhandelt zwischen dem Hersteller und dem GKV-Spitzenverband.
In der Regel liegt der Preis dann bei rund 200 € brutto für 12 Wochen, was einem Tagestherapiepreis von etwa 2,22 € entspricht.

Manchmal darf moderne Medizin günstiger sein als ein Kaffee – und trotzdem wirksamer.

Fazit: DiGA = Evidenz + Struktur + Therapie – auf digitalem Niveau

DiGA sind keine App-Projekte. Sie sind medizinisch fundierte Versorgungsinstrumente, entstanden aus validierter Forschung, getragen von klinischer Relevanz, weiterentwickelt unter höchsten regulatorischen Standards.

Sie wirken, weil sie geprüft sind.
Sie helfen, weil Ärzte sie gezielt einbinden.
Und sie verdienen Respekt – weil sie sich jeden Tag neu beweisen müssen: gegenüber Patienten, Krankenkassen, und nicht zuletzt in Ihrer Praxis.

Wer die Komplexität, die dahintersteht, erkennt, sieht DiGA nicht mehr als Kostentreiber, sondern als das, was sie sind:
Eine Investition in Präzision, Patientenbindung und moderne Versorgung.

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Gründer von goDiGA · Digital Health Experte - Verbindet Erfahrung im Gesundheitswesen mit dem Blick für digitale Innovation. Mit goDiGA macht er digitale Medizin menschlich und zugänglich.

Martin Niklewski

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